Ich warne hier schonmal, dass auf den verlinkten Seiten geschriebenes, fotografiertes und gefilmtes gezeigt wird, dass seine Spuren hinterlassen wird.
Über Chris Jordan hab ich schonmal geschrieben, etwa vor 13 Monaten. Es war einer meiner ersten Posts überhaupt, ursprünglich sogar noch bei meinem tumblr-Anfang.
Es ging um seinen TED-Talk, in dem er sein Projekt Running the Numbers vorstellte, mit dem er Statistiken fotografisch (Betonung liegt auf -graphisch) und mit digitaler verfielfältigung umsetzte, die als bloße Zahl zu abstrakt wurden, als dass man noch so etwas wie eine Bedeutung dahinter spührte.
The Midway Project geht einen emotionaleren, viel weniger abstrakten Weg, der aber ähnlich direkt und tiefgründig funktioniert. Er fotografiert die Kadaver von jungen Albatrossen, die an den Plastikgegenständen verendeten, die sie von ihrer Mutter gefüttert bekamen, die denken es wäre etwas Essbares. Die Albatrosse fanden das Plastik im Pacific Garbage Patch, eine, durch die Strömungen der Ozeane entstandene Plastikmüllkippe im Pazifik, von der ich keine Bilder kenne, die nur annähernd zeigen, wie absurd und surreal groß dieser Teppich auf dem Meer ist. Laut Wikipedia ist man sich recht uneins darüber, ob es die Fläche der USA einnimt, oder doch nur die doppelte Größe von Hawaii. Man kann sich nur sehr sicher sein, dass das Pacific Garbage Patch über all dort, wo es die Strömung hintreibt katastrophale Schäden in der Natur anrichtet.
Wie grundlegend dieser Schaden ist, zeigen Chris Jordans Fotos und das was er darüber erzählt recht deutlich.
Aus diesem Fotografieprojekt ist über die Jahre ein Filmprojekt geworden, das in den Trailern die Bilder von flauschigen, die Welt entdeckenden und dann so qualvoll sterbenden Vögeln so nah zusammen zeigt, dass ich noch nicht weiß, wie ich dazu stehen soll. Da ist mir das Fotoprojekt mit seinen statischen fast Stil-ähnlichen Aufnahmen der mit Plastik vollgestopften Kadavern schlüssiger und weniger manipulativ.
Die üblich verdächtigen Zyniker dürfen jetzt gerne wieder einwänden, dass es doch größere Probleme auf der Welt gibt, als sterbende Albatrosse auf den Midway Islands, aber gerade die Reduktion auf diese „kleine Katastrophe“ macht eines der großen Probleme unserer Zeit meiner Meinung nach so unmittelbar spürbar. Ein riesiger Teppich aus Plastikabfällen ist nur als Abstraktion greifbar. Niemand will drin schwimmen, das ist klar. Erreicht eine Plastikschrottflut einen Badestrand, dann ist das hässlich und unbequem. Zehntausende Gummienten, die seit Jahren durch die Ozeane treiben ist fast schon ein lustiges Bild. Aber ein offener Kadaver eines Albatrossjungen, vollgestopft mit Plastikteilen, gefüttert von der Mutter, das ist so voller Tragik, dass es die Schieflage verbildlichen kann, in die unsere Gesellschaft unsere Umwelt vielleicht für immer gebracht hat.
Es ist ja wieder schwer en vouge geworden über die Mülltrennung und Recycling zu lästern, ein System, das nicht perfekt ist, jedoch im Nachhinein erstaunlicherweise einen Platz in unserer Gesellschaft gefunden hat. Und ich muss bei fast jedem Einkauf wieder darüber nachdenken, wie absurd es ist, Essbares, das nach ein paar Tagen nicht mehr genießbar ist und sich nach ein paar Wochen wieder aufgelöst hat, nach hause zu tragen in Plastikbehältnissen, die mich, unrecycelt, sowieso überleben werden und wahrscheinlich auch alles was ich kenne. Natürlich habe ich weder eine Lösung, noch verhalte ich mich selbst so vernünftig, wie ich mich verhalten könnte mit all dem Wissen, was mir zur Verfügung steht. Projekte wie diese bringen mich allerdings wirklich zum Grübeln, manchmal wohl mehr als mir gut tut und führen dazu, dass ich zumindest ein kleines bißchen bewußter handele, weil wahrscheinlich auch von mir ein bißchen Plastikschrott im Great Pacific Garbage Patch schwimmt.
Die Internetseite des Projekts, aus dem gerade ein Film wird.
Die Seite des Films, auf der man den Trailer sehen kann.
Weise auch nochmal auf den großartigen Kurzfilm von Raman Bahrani hin, der das Leben aus der Sicht einer Plastiktüte zeigt, die gesprochen wird von Werner Herzog.
videos.arte.tv/de/videos/mein_liebster_feind-4264298.html
Über Werner Herzog schrieb ich ja hier schonmal. Jetzt im Moment kann man über obenstehenden Link die komplette Dokumentation „Mein liebster Feind“ sehen, die keine Dokumentation über Kinski ist, sondern eine Dokumentation über Werner Herzog und Klaus Kinski und die Symbiose, die in diesem extremen Spannungsfeld enstand und sowohl Herzogs, als auch Kinskis Höhepunkte in ihren jeweiligen Lebenswerken darstellt.
Herzog hat immer versucht in absoluten Extremen eine tiefere Wahrheit zu finden, die einer modernen Gesellschaft verloren gegangen scheint. In Kinski fand er dieses Extrem in einem Schauspieler und war vielleicht der einzige, der es sich nutzbar gemacht hat.
Empfehlenswert sind auf jeden Fall Aguirre – Der Zorn Gottes und Fitzcarraldo. Eroberung des Nutzlosen ist ein Tagebuch, das Herzog während der Dreharbeiten zu Fitzcarraldo geführt hat und auch kurz in Mein liebster Feind vorkommt. Es schildert die Entbehrungen und Widrigkeiten der Dreharbeiten, aber auch die Vision Herzogs und dem damit verbundenen schmalen Grad zum Wahnsinn.
Vielleicht bin ich ja der letzte, der das postet, aber hach, …schön. Und großartig. Will jetzt auch nicht viel mehr schreiben, denn erstens bin ich ziemlich übermüdet und zweitens bearbeite ich gerade eigentlich die Bilder von der Hochzeit auf der ich gestern war, die wirklich schön war und nett. Und das Fotografieren hat Spaß gemacht.
Ich will auch verreisen und fotografieren. Und irgendwie muss ich gerade an den Diafilm denken, den ich in Paris fotografierte, aber dann eine halbe Stunde, nachdem ich ihn vom Entwickeln abholte in der Bahn liegen ließ. Schade, dass sich damals niemand auf die Suche nach mir gemacht hat. Er hätte auch nicht um die halbe Welt fliegen müssen um mich zu finden. Vielleicht nur von Wuppertal, oder Solingen nach Leichlingen, oder Köln.
Würde die Bilder gern nochmal sehen. Ein zweites Mal.
Gefunden bei Duckrabbit
Ein Kurzfilm von Ramin Bahrani über das Leben einer braunen Plastiktüte und ihrer Suche nach dem Schöpfer. Gesprochen wird sie von Werner Herzog und wem diese Info allein nicht schon toll genug ist, der sollte sich den Film dann doch mal ansehen, denn er ist ohne Frage herzzerreißend schön und tatsächlich großartig.
Mit den anderen 20 Kurzfilmen auf Futurestate werde ich meine kommenden Abende verbringen.
Seit Jahren, aber im Moment ganz akut, werde ich ein immer größerer Fan von Werner Herzog. Was ich an Werner Herzog schätze, ist die direkte Art seine Ideen in Filme um zu setzen, ohne Umwege zu gehen, Kompromisse zu gestatten und sich aufhalten zu lassen von Konventionen, die so gut wie jeder gezwungen wird ein zu gehen.
Ich glaube für jeden seiner Filme musste er kämpfen und manchmal das Unmögliche durchsetzen.
Das naheliegenste Beispiel dafür ist wohl Fitzcarraldo, der Film über einen Narr, gespielt von Klaus Kinski, der im Urwald von Südamerika ein Dampfschiff über einen Bergkamm ziehen lässt.
Herzog lies das Schiff tatsächlich über einen Bergkamm ziehen und auch der Narr ist mit größter Sicherheit er selbst. Im Moment lese ich sein Tagebuch über die Entstehung des Films und mein Gott, was für widrige Umstände das gewesen sein müssen und mein Gott, welche Hartnäckigkeit Herzog fast bis zur Selbstaufgabe bewiesen hat und mein Gott, was das für ein großartiger Film geworden ist, den ich auch unbedingt nochmal sehen muss.
Herzog braucht die direkte Auseinandersetzung mit den Umständen. Wenn er einen Film dreht über ein spanisches Heer, das den Amazonas entlang zieht und nach Eldorado sucht, langsam dahin siecht und Einer nach dem Anderen dem Fieber, der Wildniss und dem Wahnsinn erliegt, dann setzt er sich und sein Team den gleichen Umständen aus und zieht mit dem Nötigsten los in den Dschungel, um seine Visionen in diese naturgewaltigen Filme zu verwandeln.
Die Filme funktionieren natürlich auch immer über diesen Subtext, dass man weiß, wie sie entstanden sind, aber man spürt die Rohheit, die Nässe und Fauligkeit, die Erschöpfung und die Gefahr, wie in sonst keinen Filmen.
Diese unmittelbare Wahrhaftigkeit ist allein schon ein Grund seine Filme zu gucken.
Der zweite ist sein sonderbarer, aber ehrlicher Sinn für (vielleicht auch seine Sucht nach) Poesie und Schönheit, die sich so von dem unterscheiden, als was sie heute durch unsere Gesellschaft definiert werden. Sein scheinbar grenzenloser Drang Aufrichtigkeit und wirkliche Leidenschaft zu finden, führte ihn in Encounters at the End of the World bis in die Antarktis und er fand in der vielleicht unwirtlichsten Gegend der Welt eine Hand voll Freaks, deren Ideen vom Leben er aber so klar und beeindruckend werden lässt, dass man wieder lernt zu hinterfragen, was das Leben ist und welchen Sinn es hat, so platt das auch klingt.
Ein Forscher erlebt seinen letzten Tauchgang unter dem ewigen Eis. Man darf Teil haben an dieser entrückten Welt und wenn man wieder auftaucht, dann versteht man, warum für diesen Mann etwas zu Ende geht, das ein Teil von ihm ist und merkt vielleicht, dass einem so etwas fehlt.
Nachdem Werner Herzog diesen Film dem Filmkritiker Roger Ebert widmete, schrieb dieser ihm einen wunderschönen Brief (eigentlich eine Huldigung). Er schrieb:
„I have not seen all your films, and do not have a perfect memory, but I believe you have never made a film depending on sex, violence or chase scenes. Oh, there is violence in “Lessons of Darkness,” about the Kuwait oil fields aflame, or “Grizzly Man,” or “Rescue Dawn.” But not “entertaining violence.” There is sort of a chase scene in “Even Dwarfs Started Small.” But there aren’t any romances. You have avoided this content, I suspect, because it lends itself so seductively to formulas, and you want every film to be absolutely original. You have also avoided all “obligatory scenes,” including artificial happy endings.“
Ich glaube nicht, dass Herzog diese Dinge meidet, mit dem Willen jeden Film einzigartig zu machen. Ich glaube er kann gar nicht anders, denn alles was er tut, scheint aus seinem tiefsten Inneren zu kommen und durch einen an Wahnsinn grenzenden Drang zu Filmen zu werden.
Gestern sah ich The Wild Blue Yonder, in dem jemand in einem gottverlassenen amerikanischen Suburbia steht, erzählt, dass er ein Ausserirdischer ist und wie sich der Mensch im Weltall ausgebreitet hat. Gezeigt werden Interviews mit Wissenschaftlern, Kollagen von Computeranimationen, Videoaufnahmen einer Raumfährenbesatzung und wieder Unterwasseraufnahmen unter dem Eis. Alles ist wirr und langatmig und die Handlung kaum nachvollziehbar, aber irgendwann kam bei mir der Punkt, an dem mich auf diese wirkliche Fantasie einließ. Ob ich vielleicht später in der Lage bin zu schreiben, was dieser Film mit mir gemacht hat, weiß ich nicht. Heute kann ich es noch nicht.
Fast alle Filme erzählen Geschichten. Auch Dokumentationen tun das. Auch Herzog tut das.
Aber wo bei anderen der Betrachter durch die formale Inszenierung emotional an den Film gefesselt wird, wird die Inszenierung bei Herzog auf das mindeste reduziert. Man wird von seinen Filmen nicht umworben und umschmeichelt. Sie entziehen sich den Sehgewohnheiten. Es liegt bei einem selbst, ob man sich darauf einlässt oder nicht. Aber wenn man sich darauf einlässt, dann wird man nicht nur unterhalten. Man erlebt eine Erfahrung, die so wahr ist, wie es mit filmischen Mitteln möglich ist.
Dabei zeigt er in seinen Dokumentationen nicht eine objektive Wahrheit, sondern eine viel direktere ehrlichere, unmittelbare, seine subjektive Wahrheit.
Irgendwann haben sich bei Herzog Dokumentation und Fiktion angefangen zu vermischen und es ist Herzogs Aufrichtigkeit zu verdanken, dass es sowohl die Fiktionen, als auch die Dokumentationen bereichert hat.
In Deutschland ist er nur der spinnerte Regisseur, der sich im Dschungel Malaria holt und den Irren Kinski in seine besten Rollen dressiert hat.
Und während hier Leute gefeiert werden, weil sie der manchmal schon grotesken Überinszenierung und Formelhaftigkeit des deutschen Films dann und wann ein paar Momente Wahrhaftigkeit abtrotzen können, zählt Herzog international zu den eigenständigsten und interessantesten Regisseuren überhaupt.
Roger Ebert schließt seinen Brief „You and your work are unique and invaluable, and you ennoble the cinema when so many debase it. You have the audacity to believe that if you make a film about anything that interests you, it will interest us as well. And you have proven it.“
Er selbst sagt: „If I had to climb into hell and wrestle the devil himself for one of my films, I would do it.“ (Quelle: IMDb.com)
Ich habe keinen Zweifel, dass das stimmt.
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