Seit Jahren, aber im Moment ganz akut, werde ich ein immer größerer Fan von Werner Herzog. Was ich an Werner Herzog schätze, ist die direkte Art seine Ideen in Filme um zu setzen, ohne Umwege zu gehen, Kompromisse zu gestatten und sich aufhalten zu lassen von Konventionen, die so gut wie jeder gezwungen wird ein zu gehen.
Ich glaube für jeden seiner Filme musste er kämpfen und manchmal das Unmögliche durchsetzen.
Das naheliegenste Beispiel dafür ist wohl Fitzcarraldo, der Film über einen Narr, gespielt von Klaus Kinski, der im Urwald von Südamerika ein Dampfschiff über einen Bergkamm ziehen lässt.
Herzog lies das Schiff tatsächlich über einen Bergkamm ziehen und auch der Narr ist mit größter Sicherheit er selbst. Im Moment lese ich sein Tagebuch über die Entstehung des Films und mein Gott, was für widrige Umstände das gewesen sein müssen und mein Gott, welche Hartnäckigkeit Herzog fast bis zur Selbstaufgabe bewiesen hat und mein Gott, was das für ein großartiger Film geworden ist, den ich auch unbedingt nochmal sehen muss.

Herzog braucht die direkte Auseinandersetzung mit den Umständen. Wenn er einen Film dreht über ein spanisches Heer, das den Amazonas entlang zieht und nach Eldorado sucht, langsam dahin siecht und Einer nach dem Anderen dem Fieber, der Wildniss und dem Wahnsinn erliegt, dann setzt er sich und sein Team den gleichen Umständen aus und zieht mit dem Nötigsten los in den Dschungel, um seine Visionen in diese naturgewaltigen Filme zu verwandeln.
Die Filme funktionieren natürlich auch immer über diesen Subtext, dass man weiß, wie sie entstanden sind, aber man spürt die Rohheit, die Nässe und Fauligkeit, die Erschöpfung und die Gefahr, wie in sonst keinen Filmen.
Diese unmittelbare Wahrhaftigkeit ist allein schon ein Grund seine Filme zu gucken.

Der zweite ist sein sonderbarer, aber ehrlicher Sinn für (vielleicht auch seine Sucht nach) Poesie und Schönheit, die sich so von dem unterscheiden, als was sie heute durch unsere Gesellschaft definiert werden. Sein scheinbar grenzenloser Drang Aufrichtigkeit und wirkliche Leidenschaft zu finden, führte ihn in Encounters at the End of the World bis in die Antarktis und er fand in der vielleicht unwirtlichsten Gegend der Welt eine Hand voll Freaks, deren Ideen vom Leben er aber so klar und beeindruckend werden lässt, dass man wieder lernt zu hinterfragen, was das Leben ist und welchen Sinn es hat, so platt das auch klingt.
Ein Forscher erlebt seinen letzten Tauchgang unter dem ewigen Eis. Man darf Teil haben an dieser entrückten Welt und wenn man wieder auftaucht, dann versteht man, warum für diesen Mann etwas zu Ende geht, das ein Teil von ihm ist und merkt vielleicht, dass einem so etwas fehlt.

Nachdem Werner Herzog diesen Film dem Filmkritiker Roger Ebert widmete, schrieb dieser ihm einen wunderschönen Brief (eigentlich eine Huldigung). Er schrieb:
„I have not seen all your films, and do not have a perfect memory, but I believe you have never made a film depending on sex, violence or chase scenes. Oh, there is violence in “Lessons of Darkness,” about the Kuwait oil fields aflame, or “Grizzly Man,” or “Rescue Dawn.” But not “entertaining violence.” There is sort of a chase scene in “Even Dwarfs Started Small.” But there aren’t any romances. You have avoided this content, I suspect, because it lends itself so seductively to formulas, and you want every film to be absolutely original. You have also avoided all “obligatory scenes,” including artificial happy endings.“

Ich glaube nicht, dass Herzog diese Dinge meidet, mit dem Willen jeden Film einzigartig zu machen. Ich glaube er kann gar nicht anders, denn alles was er tut, scheint aus seinem tiefsten Inneren zu kommen und durch einen an Wahnsinn grenzenden Drang zu Filmen zu werden.

Gestern sah ich The Wild Blue Yonder, in dem jemand in einem gottverlassenen amerikanischen Suburbia steht, erzählt, dass er ein Ausserirdischer ist und wie sich der Mensch im Weltall ausgebreitet hat. Gezeigt werden Interviews mit Wissenschaftlern, Kollagen von Computeranimationen, Videoaufnahmen einer Raumfährenbesatzung und wieder Unterwasseraufnahmen unter dem Eis. Alles ist wirr und langatmig und die Handlung kaum nachvollziehbar, aber irgendwann kam bei mir der Punkt, an dem mich auf diese wirkliche Fantasie einließ. Ob ich vielleicht später in der Lage bin zu schreiben, was dieser Film mit mir gemacht hat, weiß ich nicht. Heute kann ich es noch nicht.

Fast alle Filme erzählen Geschichten. Auch Dokumentationen tun das. Auch Herzog tut das.
Aber wo bei anderen der Betrachter durch die formale Inszenierung emotional an den Film gefesselt wird, wird die Inszenierung bei Herzog auf das mindeste reduziert. Man wird von seinen Filmen nicht umworben und umschmeichelt. Sie entziehen sich den Sehgewohnheiten. Es liegt bei einem selbst, ob man sich darauf einlässt oder nicht. Aber wenn man sich darauf einlässt, dann wird man nicht nur unterhalten. Man erlebt eine Erfahrung, die so wahr ist, wie es mit filmischen Mitteln möglich ist.
Dabei zeigt er in seinen Dokumentationen nicht eine objektive Wahrheit, sondern eine viel direktere ehrlichere, unmittelbare, seine subjektive Wahrheit.
Irgendwann haben sich bei Herzog Dokumentation und Fiktion angefangen zu vermischen und es ist Herzogs Aufrichtigkeit zu verdanken, dass es sowohl die Fiktionen, als auch die Dokumentationen bereichert hat.

In Deutschland ist er nur der spinnerte Regisseur, der sich im Dschungel Malaria holt und den Irren Kinski in seine besten Rollen dressiert hat.
Und während hier Leute gefeiert werden, weil sie der manchmal schon grotesken Überinszenierung und Formelhaftigkeit des deutschen Films dann und wann ein paar Momente Wahrhaftigkeit abtrotzen können, zählt Herzog international zu den eigenständigsten und interessantesten Regisseuren überhaupt.
Roger Ebert schließt seinen Brief „You and your work are unique and invaluable, and you ennoble the cinema when so many debase it. You have the audacity to believe that if you make a film about anything that interests you, it will interest us as well. And you have proven it.“

Er selbst sagt: „If I had to climb into hell and wrestle the devil himself for one of my films, I would do it.“ (Quelle: IMDb.com)
Ich habe keinen Zweifel, dass das stimmt.

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One Response to Werner Herzog – meine Huldigung

  1. […] Über Werner Herzog schrieb ich ja hier schonmal. Jetzt im Moment kann man über obenstehenden Link die komplette Dokumentation “Mein […]

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