Oberflächlich betrachtet ist Taryn Simons Projekt Bloodlines eine umfangreiche Ansammlung von nüchternen, immer gleich gestalteten Portraits, angeordnet auf immer gleich gestalteten Sheets, mit zusätzlichem Text und Bildmaterial. Sie zeigen Blutlinien, also Familien, ausgehend von einer Person, bis hin zu den Enkeln, oder Urenkeln. Thematisch aufgeteilt werden die Sheets in mehreren Kapiteln.
So zeigt das erste, Arbeitstitel gebende Kapitel die Familien von indischen Bauern, die von ihren Angehörigen für tot erklärt wurden, um das Land ein zu streichen. An anderer Stelle sieht man die weitläufige Abstammungslinie eines AIDS heilenden kenianischen Mediziners und seiner neun Frauen. Thematisiert wird auf diese Art unter anderem noch Familienplanung und Propaganda in China, Massenmord in Bosnien und der Versuch die Hasenpopulation in Australien mittels einer künstlichen Erbkrankheit einzudämmen.

Über tausend dieser Portraits bilden ein Archiv, das, je länger man sich mit den Bildern beschäftigt, den Eindruck von Zufälligkeit verliert und erstaunliche Zusammenhänge offenbart, die einen mehr oder weniger konkreten Blick von Außen zulassen auf eine über den Erdball verstreute Gesellschaft, deren Verhalten sowas wie ein Muster offenbart, das darauf schliessen lässt, dass der Einfluss darauf, dass sich sowieso alles wiederholen wird, ziemlich gering ist.

„Archives exist because there’s something that can’t necessarily be articulated. Something is said in the gaps between all the information.” (Taryn Simon)

Ich mag Taryn Simon und bewundere ihren Konzept-geprägten Stil und ihre einfache Bildsprache. Ihren früheren Ted-Talk fand ich schon toll, den neuen aber wirklich großartig. Ich mag auch ihre Art der Präsentation, ihre nüchterne, ungeheuer präzise Sprache und den Zusammenhang den sie herstellen kann. Ihre Arbeit ist seit einigen Jahren der Beweis, dass die Möglichkeiten von Fotografie weit über Ästhetik hinaus gehen sollte.

Wie ungemein schwierig das sein kann diesen Anspruch an Fotografie zu haben, erlebe ich aber gerade selbst: Habe seit fast einem Monat eine neue Kamera, fotografierte aber die letzten Monate nur noch mit meinem Smartphone…

Ich brauche eine Idee um zu fotografieren. Ein Projekt. Damit stehe ich mir so gern selbst im Weg, aber einfach so umher knippsen, das kann ich schon seit einiger Zeit nicht mehr.

 

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