Irgendwann im Herbst 1996 hörte ich im Einslive Kultkomplex von Sparklehorse. Kultkomplex war damals eine großartige Radiosendung über alternative Musik, als alternative Musik wirklich noch alternative Musik war und nicht alternativer Mainstream. Es wurden einem mit Leidenschaft auch Bands vorgestellt, die sonst nirgendwo in Deutschland im Radio gelaufen wären und in diesem Fall war es Sparklehorse, der zu der Zeit als Support von Radiohead tourte.
Ich mochte Radiohead sowieso und auch die vorgestellten Sparklehorsesongs, die aber eigentlich Bootlegs waren und so ging ich los und kaufte mir sein damals noch nicht lang erschienenes Debutalbum mit dem etwas sperrigen Titel „Vivadixiesubmarinetransmissionplot“. Damals habe ich vor allem die Musik gehört, die auch mein Bruder hörte, der dann auch die CDs gekauft hat. Deswegen war Sparklehorse eine meiner ersten selbst gekauften Indiealben überhaupt.

„Vivadixiesubmarinetransmissionplot“ war ein ziemlich guter Titel um damit seine Indiesozialisation unter Beweis zu stellen und ich mochte auch das schräge Artwork, aber die Musik selbst war für mich damals viel zu sperrig. Ich habe damals Indierock wie Nada Surf und Weezer gehört und natürlich Oasis und anderen Britpop.
Am ambitioniertesten war da noch Radiohead.
Sparklehorse war damals noch so Lowfi wie ich es noch nie gehört hatte. Die Songs und Sounds hatten mehr Ecken und Kanten als ich es gewohnt war und tauchte irgendwann doch mal Eingängigkeit auf, dann nur um sie später zu dekonstruiert zu werden.

Enttäuscht wurde die CD von mir in mein noch übersichtliches CD-Regal gesteckt und nur sehr gelegentlich nochmal getestet.
Mit der Zeit konnte ich der Musik dann doch immer mehr abgewinnen und die verschrobenen Songs und der teilweise sägende Sound machten irgendwann Sinn. Ich besorgte mir auch sein zweites Album „Good Moring Spider“, dass ein wenig geordneter war, dafür aber um so melancholischer, fast ein wenig depressiv.
Das passte damals ganz gut in die Zeit und so wuchsen mir die beiden Alben ans Herz. Genau so auch zwei EPs.

Sein drittes Album „It´s A Wonderful Life“ war schwierig für mich. Ich weiß nicht woran es lag, aber ich fand keinen Zugang mehr in die Soundästhetik und die Songs. Vielleicht kollidierten meine Erwartungen ein Album zu bekommen, dass ich direkt so mögen würde, wie ich die ersten beiden Alben mochte, mit dem Wiederspruch, dass es eigentlich auch die fehlende Zugänglichkeit war, die Sparklehorse bis dahin auszeichneten.
Ich kann mich noch daran erinnern, das Album zum ersten mal zu hören und weiß noch, dass ich müde wurde und vielleicht auch ein wenig fiebrig. Es überfordete und berührte mich auf eine emotional äußerst unangenehme Weise, die ich heute noch spüren kann, wenn ich die Musik höre. Wie das so ist, wenn man als early adopter etwas ganz toll findet, nahm ich es Sparklehorse auch ein wenig übel, dass er mit diesem Album erfolgreich wurde, gemessen an dieser Art von Musik.
Sparklehorse galt schon als eine Band, ist aber eigentlich Mark Linkous mit ein paar mehr oder weniger festen Bandmitgliedern. Er kam in dieser Zeit im damaligen internationalen Indieestablishment an, produzierte zum Beispiel einen Song mit Tom Waits und gleich ein ganzes Album mit Nina Person.

Auch wenn ich immernoch an „Vivadixiesubmarinetransmissionplot“ und „Good Morning Spider“ hing, gingen Sparklehorse und ich so ein bißchen getrennte Wege.
Sein eingängigstes Album von 2005 „Dreamt For Light Years In The Belly Of The Mountain“ habe ich sozusagen aus alter Verbundenheit besorgt und mochte es auch ganz gern, wenn auch nicht mehr als andere CDs, die ich mir in diesen Jahren gekauft habe.

Später in dem Jahr habe ich Sparklehorse das erste mal live gesehen.
Wenn einem Musik so vertraut ist, man aber nie einen anderen Bezug zu ihr hatte, als die CD zuhause im Zimmer oder auf dem Walkman zu hören, dann ist es ein bißchen verstörend, wenn da jemand, den man bisher nur in einer für sich abgeschlossen Welt der Intimität kannte, auf der Bühne steht und diese Songs spielt, die über die Jahre ein Teil von einem wurden.
Eigentlich bin ich zu dem Konzert gegangen um nach zu holen, was ich bisher versäumt hatte: Einen Indiehelden meiner Jugend mal live sehen.
Ich stand in einem etwa halb gefüllten Gebäude9 recht weit hinten und war irgendwann überrascht mit welcher Intensität mich die vielen Songs, die Mark Linkous und seine Band an diesem Abend von seinen ersten beiden Alben spielte, überwältigten.

Vor etwas mehr als einem Jahr wiederholte sich so ein Schlüsselerlebnis durch einen traurigen Anlass. Mark Linkous nahm sich das Leben.
Ich wußte nie besonders viel über seine Person und seine Lebensumstände und bis heute habe ich nicht das Bedürfnis mehr zu erfahren. Ich kannte ihn nicht und ich kann nicht wissen warum er Selbstmord beging, aber es war der erste Tod eines Künstlers, oder Prominenten, der mir wirklich nahe ging.

Über die Jahre habe ich mir durch seine Musik ein Bild von ihm gemacht, das natürlich nicht stimmen konnte und ich habe auch ein bißchen Angst davor, dass sich dieses Bild ändern könnte, würde ich mehr über ihn erfahren.
Durch Zufall bin ich vor ein paar Monaten über eine kurze Dokumentation über Sparklehorse gestolpert. Sie wurde gedreht, kurz bevor „Good Moring Spider“ veröffentlicht wurde.
Es ist faszinierend, dass sie zwar nicht wirklich meiner Vorstellung entspricht, diese aber ergänzt und bereichert. Allein der Schnitt, die Bilder, der Sound und die Videoästhetik passen sehr gut zu dem, was Sparklehorse für mich ist.

Nachtrag: Tage, an denen man den ganzen Tag Sparklehorse hört sind sehr schöne Tage.

 

5 Responses to Sparklehorse

  1. Yslaire sagt:

    Ein wirklich schöner Text über Mark bzw. deine Erlebnisse mit seiner Musik. Besonders gefällt mir jedoch dein Nachtrag.
    Sparklehorsetage sind wirklich schöne Tage. Nur leider wird an diesen Tagen immer deutlich wie sehr Mark doch fehlt. Ich bin aber auch froh ihn 2006 im Gebäude 9 gesehen zu haben. Ein unvergesslicher Abend. Hattest Du denn die Möglichkeit Fotos zu machen. Ich war wie paralysiert ;o)

    • Marc sagt:

      :-)

      Hab mir irgendwann eingestanden, dass ich nichts vom Konzert mit bekomme, wenn ich Fotos mache. Fotografiere also nicht mehr bei Bands, die ich wirklich sehen will. Hab aber überhaupt schon viel zu lang nicht mehr bei Konzerten fotografiert…
      Sol Seppy war damals Vorband. Höre mir das damals gekaufte album jetzt zum Einschlafen an. Die war auch toll!

  2. […] habe ich aber bisher ein paar gute Songs gehört. Ausserdem erinnert es mich so sehr an Sparklehorse. Und das Video ist total […]

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