Vor ein paar Jahren folgten ein Freund und ich der Tradition das Cabrio meiner Mutter zu leihen und jedes Jahr irgendwann im Frühling die Cabriosaison einzuläuten und irgendwann im Herbst wieder zu beschliessen. Vor vier Jahren traf ich die gute Entscheidung die in Krefeld stattfindene Gregory Crewdson – Ausstellung in den Häusern Lange und Esters zu besuchen. Ich war mit seinen Arbeiten schon ein wenig durch Internet und Magazinen vertraut und mir gefielen seine hyperrealistischen Inszenierungen amerikanischer Kleinstädter und ihrer inneren Abgründe.

Die Ausstellung selbst war großartig im wahrsten Wortsinn. Die Bilder waren auf teilweise eineinhalb Metern Breite aufgezogen und in ihrer Farbigkeit und Auflösung fast perfekt. Deswegen will ich jedem seine Ausstellung in Baden-Baden ans Herz legen, die seit gestern im Museum Frida Burda gezeigt wird, zusammen mit lebensgroßer Skulpturen von Menschen, die wirklich gut zu den Menschen in den Bildern passen. Informationen und mehr Text findet ihr hier und einen kurzen Bericht sogar auf der Seite der Tagesschau.

Gregory Crewdson fotografiert hauptsächlich bis ins letzte Detail durchkomponierte, -choreographierte, perfekt künstlich belichtete, doppelbödige Szenerien mit Menschen, die dieser Welt entrückt sind. Er baut um sie herum in Studios überstilisierte und detaillierte Wohnräume, oder Locationaufnahmen von Straßenzügen und Vorgärten, die unreal wirken, aber in ihrer Inszenierung mit den Figuren verschmelzen zu einem Augenblick, der in seiner Größe und Eindringlichkeit die Realität übersteigt, am ehesten an große Filmmomente erinnert und uns unsere Emotionen in die ausdruckslosen Gesichter der Personen projezieren lässt.

Crewdson arbeitet oft mit Schauspielern, manchmal auch bekannten, wie Julianne Moore, oder William H. Macy. Seine Produktionen erfordern wochenlange Vorbereitung und am Tag der Aufnahme Crews von bis zu 40 Leuten Größe. Es gibt ein Bild von einem Straßenzug, mit einem Auto, das auf einer Kreuzung stehen blieb, mit einer Frau am Steuer, die ins Leere blickt. Ich las, dass er für dieses Foto mit dutzenden Scheinwerfern alle Fenster und Schaufenster der Häuser hat beleuchten lassen und all der Aufwand wirklich nur für ein Bild. Den Ausdruck Single-Frame-Films bekamen seine Fotografien nicht von mir verpasst, aber es passt ganz unglaublich gut. Was diese Bilder aber Filmen vorraus haben, ist, dass sie glaube ich jedem eine andere Geschichte erzählen.

2006 war ich wirklich begeistert von seiner Fotografie. Natürlich wollte ich auch sowas machen und ich hatte auch schon Kontakt hergestellt zu Schauspielern, die interessiert waren, aber ziemlich schnell musste ich einsehen, dass mir einfach die Vorstellungskraft fehlt, mir diese Welten aus zu denken. Ich liebe es etwas zu dokumentieren und darin bin ich wirklich gut. Sowohl das Licht sehen und nutzen, als auch Licht setzen ist etwas, das ich auch recht gut kann. Aber Gregory Crewdson hat das Talent diese Welten in seiner Vorstellungskraft entstehen zu lassen und findet auch die Mittel und die richtigen Leute, diese Welten dann umsetzen zu können. Ich glaube nicht, dass man sich dieses Talent in der Form aneignen kann.

In meiner Zwischenprüfung bekam ich die Aufgabe mit dem Titel „Portrait einer Waschfrau“. Dem Aufgabentext konnte man entnehmen, dass sich die Prüfer entweder eine klassische Inszenierung eines Waschweibs am Waschbrett mit Zuber und Kittelkleidern vorstellten, oder vielleicht noch ein Berufsbildportrait für Broschüren, aber wirklich präzise definiert war es nicht. Ich war sowieso immer dafür in solchen Fällen die Grenzen aus zu loten und das Gegenteil von dem zu machen, was von mir erwartet wurde. Verlieren konnte ich sowieso nichts, denn bei der Zwischenprüfung hatte man bestanden, wenn man teilgenommen hatte. Für mein Portrait einer Waschfrau ging ich mit einer damals noch Schauspielstudentin (Ist heute relativ erfolgreich in der deutschen Filmlandschaft unterwegs. Wer erkennt sie?) in eine Industriewäscherei, versuchte vorhandenes Licht und „Kulisse“ zu nutzen und heraus kam eine Inszenierung irgendwo zwischen Crewdson, Lars von Triers „Dancer in the Dark“ und meiner eigenen Fotografie. Ich fand das Ergebnis damals toll, ich mag es noch heute und finde es schade, dass ich dem nicht weiter gefolgt bin und mehr Portraits gemacht habe. (Und mir wird gerade bewußt, dass dieser Zug eigentlich längst nicht abgefahren sein muss.)

Warum ich für das unten stehende Bild eine glatte Fünf bekommen hab, weiß ich aber eigentlich auch…

 

9 Responses to Ein-Bild-Filme

  1. smilla sagt:

    mmhh, warum du da ne fünf bekommen hast versteh ich überhaupt nicht, da kann man sich nur wundern

    ich kenn sie und komm nicht daruf woher.

    gregory crewdson fasziniert mich, musste bei diesen bildern auch an ihn denken „Night“ von Benoit Paille

    • marcAdmin sagt:

      Ich weiß ehrlich gesagt gar nicht, ob sie so glücklich ist, dass ich das Bild hier veröffentliche… :-)

      Die Fünf habe ich bekommen und erwartet, weil im Prüfungsausschuss Menschen und Fotografen sitzen, die dort nicht wegen ihres Geschmacks und/oder ihrer Kompetenz sitzen und ausserdem von Fotografie eine Vorstellung haben, deren Grenzen so eng sind, dass man vom einen bis zum anderen Ende spucken kann.

  2. Tim sagt:

    Ich finde das Bild sehr ansprechend. Ist das nicht auf dauer frustrierende, mit solchen Leuten zu tun zu haben? Lohnt es sich dann überhaupt, fotografie zu studieren? Ernst gemeinte Frage.

    • Marc sagt:

      Ich habe eine sehr gute Ausbildung im Fotostudio der Köln International School of Design gemacht und bisher nicht studiert, aber ich glaube das spare ich mir auch.
      Mit der Fotografeninnung, Prüfungsausschüssen und so weiter hatte ich aber trotzdem am Rande zu tun und auch wenn das nur einen mininalen Einfluss auf meinen Werdegang hatte: Ja, es war frustrierend.

  3. Ev sagt:

    Hallo,
    ich bin über den Link bei Smilla bei Dir gelandet und ich möchte Dir sagen, dass mir das Bild mit seiner Botschaft die es transportiert, überaus gut gefällt! Ich mag es, wenn eine Photographie nicht einfach nur perfekt glatt geleckt und inszeniert ist; ich möchte angesprochen und zum Nachdenken gebracht werden – und das schafft deine Darstellung eines Waschweibs. Chapeau.
    Liebe Grüße,
    Ev

  4. Smithee sagt:

    Ist das Jana Pallaske? Wenn ja, sieht sie auf dem Bild aber ganz schön alt aus, noch viel älter als sie heute ist, geschweige denn vor vier Jahren.
    Allein dafür hättest Du was besseres als eine 5 verdient…

  5. KlaraHimmel sagt:

    Hallo Marc,

    die Wege, die mich zu deinem Blog führten sind nicht mehr nachvollziehbar, aber es ist mir ein Bedürfnis, mich hier kurz einzuklinken. Auch mir hat es Crewdsons Fotografie angetan, das liegt zum Großteil auch daran, dass ich aus dem Bewegtbilbereich komme und den Aufwand, welchen Crewdson für seine Bilder betreibt aus der Filmproduktion kenne. Solltest Du tatsächlich mal an dein Waschfrauenprojekt anknüpfen wollen, bin ich dabei, was die Ausleuchtung, bzw. die Planung derer, von Motiven angeht…
    Grüße aus Berlin

  6. […] ihn schrieb ich übrigens schonmal hier. Tagged with: Dokumentation • filmstadt • Gregory Crewdson • Großformat • […]

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